Corona, Ukraine, Klima – was macht das mit eurer Agentur?
Lockdowns, Kontaktverbote, Homeoffice-Pflicht: Die Corona-Pandemie hat unser Leben geprägt und die Arbeitswelt über Nacht auf den Kopf gestellt. Auch der Ukraine-Krieg und die Klimakrise wirken sich auf alle Lebensbereiche aus. Aber wie kriegt man es hin, flexibel auf Krisen zu reagieren ohne dabei die Balance zu verlieren? Wir haben unsere Agency-Life-Teilnehmer:innen gefragt, was sich durch die aktuellen Ereignisse in ihren Agenturen verändert hat, wie man stabil bleibt, wenn alles anders kommt als geplant und was sie von der Zukunft erwarten.
In Agency Life schauen wir uns an, was es braucht, um eine Agentur erfolgreich zu führen. Dafür bringen wir inspirierende Top-Leute und Gründer aus der Werbe-, Digital- und Contentmarketing-Branche zusammen und sprechen mit ihnen über Themen wie Marketing, Positionierung, Pitches, nachhaltiges Wachstum und mehr. Dazu haben wir Chris Höfner, Freunde des Hauses Dennis Lück, BrinkertLück Creatives Matthäus Michalik, CLANEO und Heiko Willers, CLUE ONE nach Hamburg eingeladen.
Im sechsten Teil geht es um gesellschaftlichen Wandel und eine sich verändernde Arbeitswelt. Im Gespräch mit uns berichten die Agency-Life-Teilnehmer:innen, was sich in ihren Agenturen während der Pandemie sowie durch den Ukraine-Krieg und die Klimakrise verändert hat und wie sie auf solche unvorhersehbaren Ereignisse als Agenturleiter:innen reagieren.
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„Corona hat viel mit uns angestellt“, erzählt Chris Höfner von Freunde des Hauses und berichtet von den zentral gelegenen Räumlichkeiten der Agentur, die vor der Pandemie als Begegnungsstätte funktionierten: „Es ist alles sehr schön eingerichtet und es hat dort sehr viel stattgefunden. Die berühmt berüchtigte Kaffeemaschine, bei der man sich trifft, das Kickerturnier und vieles mehr. Da wird auch immer noch drüber gesprochen, dass wir lang nicht miteinander gefeiert haben.“ Corona habe außerdem deutlich gezeigt, wie wichtig interne Kommunikation sei. „Wir mussten uns überlegen, wie man digital mitbekommt, wie es den anderen geht“, berichtet Chris. Diese neue Sensibilität, die sich dadurch entwickelt hat, gefällt ihr sehr gut. Auch die Akzeptanz, dass es eben doch klappt – dass man super digital zusammenarbeiten und trotzdem tolle Kreation auf die Beine stellen oder den Kunden ebenso gut beraten könne. „Corona war auch ein Kopföffner“, sagt sie.
„Wir mussten uns überlegen, wie man digital mitbekommt, wie es den anderen geht.“ – Chris Höfner, Freunde des Hauses
„Ich muss sagen, das Miteinander hat mir extrem gefehlt und ich bin super froh, wieder im Büro zu sein“, sagt Matthäus Michalik (CLANEO), der sich andererseits, genau wie Chris, über die neue Akzeptanz von Homeoffice freut. „Ich versuche, wenn ich im Büro bin, gar keine Termine zu machen, sondern einfach nur Kaffee zu trinken, Mittagessen zu gehen und abends Bier zu trinken. Ich brauche ja nicht ins Büro zu kommen, um Calls abzuhalten.“
Heiko Willers sieht das ganz ähnlich. CLUE ONE basierte schon immer auf einer Netzwerkstruktur mit vielen Freelancern, so dass die Umstellung für ihn in der Hinsicht nicht ganz so groß war. Komplett ohne Begegnungen fehlt aber trotzdem was: „Nach einem Jahr merkst du, dir geht die Kultur tatsächlich so ein bisschen flöten. Wenn bei Chemistry Meetings alle mit einem Glas Wein vor der Webcam sitzen, ist das ist überschaubar spannend. Und insofern waren wir dann alle froh, dass wir wieder ein bisschen Kultur und physisches Miteinander in den Laden bekommen haben.
„Wenn bei Chemistry Meetings alle mit einem Glas Wein vor der Webcam sitzen, ist das überschaubar spannend.“ – Heiko Willers, CLUE ONE
Büros entwickeln sich in ihrer Bedeutung also eher weg vom reinen Arbeitsplatz hin zur Begegnungsstätte. In Kombination mit der Möglichkeit, hybrid zu arbeiten, ist die Berufswelt viel flexibler geworden. „Ich freue mich über jeden Konzern, der jetzt sagt, Corona ist vorbei, jetzt müssen wieder alle fünf Tage ins Büro kommen. Denn dann werden die Leute spätestens nach einem halben Jahr, wenn nicht direkt, kündigen und sich umschauen. Und dann haben wir vielleicht die Chance, wieder neue Talente zu finden“, scherzt Matthäus.
„Corona und BrinkertLück sind eine Story, die zusammengehören, denn wir haben ja während der Pandemie gegründet“, erzählt Dennis Lück. Als seine Agentur BrinkertLück Creatives im Januar 2021 startete, gab es noch nicht einmal Räumlichkeiten. „Das war während des Lockdowns nicht nötig“, so Dennis, der alle Bewerbungsprozesse digital umgesetzt hat. „Ich will nicht sagen, dass Corona etwas Positives hatte, aber zumindest war die Pandemie für uns ein Treiber und auch ein Ermöglicher uns so zu gründen, wie wir uns gegründet haben.“
Zusammen mit seinem Partner Raphael Brinkert, der in Hamburg wohnt und auch bleiben möchte, konnte Dennis, von der Schweiz aus, plötzlich problemlos mit zwei Niederlassungen loslegen, ohne sich auf ein Land oder eine Stadt einigen zu müssen. „Und dann stand die Entscheidung, die Agentur in der Krise hochzuziehen und sie sogar als Chance zu sehen fest. Für uns war das genau das Momentum, das wir gebraucht haben“, sagt er.
„Für uns war Corona genau das Momentum, das wir gebraucht haben.“ – Dennis Lück, BrinkertLück Creatives
Für Heiko hat sich herausgestellt, dass wirklich alles auch digital geht: „Wir haben selbst Visionsentwicklungsworkshops, wo man normalerweise an Pinnwänden steht und irgendwo an einem See ist, virtuell hinbekommen müssen. Das hat am Anfang nicht besonders gut geklappt aber mittlerweile können wir sagen, wir können wirklich jedes Format online durchführen. Visionsentwicklung mit 60 Mann ist anstrengend, geht aber.“
Matthäus bestätigt, dass Corona auch bei CLANEO vieles ins Rollen gebracht hat: „Wir haben uns mehr als verdoppelt von der Teamgröße“, erzählt er. „Wir sind ja sehr auf Search und auf die organische Suche spezialisiert. Das heißt, viele Unternehmen haben ihre Marketingaktivitäten ausgesetzt und gleichzeitig gesehen, dass über SEO doch noch Neukunden kommen. Und dann haben viele Online-Pure-Player gesagt, dann lass uns doch mehr SEO machen. Das heißt, für uns war Corona ein Katalysator. Auch viele B2B-Unternehmen haben gemerkt, dass es keine Messen mehr gibt und sie digitalisieren müssen.“
„Für uns war Corona ein Katalysator.“ – Matthäus Michalik, CLANEO
Aus der privaten Perspektive habe Corona aber Nachteile gebracht, sagt Matthäus: „Wir haben währenddessen eine psychologische Sprechstunde bei uns im Team eingeführt. Weil wir einfach gesehen haben, es gibt Personen, die sitzen im Einzimmerapartment und bewegen sich im Sternkreuz wie beim Basketball zwischen Klo, Kühlschrank, Schlafzimmer und Schreibtisch. Wir wollten etwas zurückgeben und dabei helfen, die Pandemie psychisch zu bewältigen.”
„Wir sind in einer total merkwürdigen Situation“, sagt Heiko Willers. „Da draußen tobt ein Krieg und die Wirtschaft brummt noch. Und gleichzeitig weiß ich, der Grund für den Misserfolg wird in den Zeiten des Erfolgs gelegt. Deswegen empfehlen wir unseren Kunden und wir machen es auch selber, bereite dich auf einen Vertriebspush vor, den du machen musst. Und bereite dich jetzt darauf vor. Das heißt, halte die Kosten im Griff.“ Er fährt fort: „Wenn ich gerade mal rausgucke: Ich sehe überall Wolken. Also ich gehe nicht davon aus, dass Beratungs- und Werbeetats in den nächsten fünf Jahren explodieren werden. Auch wenn ich natürlich hoffe, dass ich mich irre.”
„Wenn ich gerade mal rausgucke: Ich sehe überall Wolken. Das heißt, halte die Kosten im Griff.” – Heiko Willers, CLUE ONE
„Wir merken die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs mehr in der Stimmung als im operativen Business“, erzählt Dennis Lück. „Als diese Krise kam dachten wir sofort, lasst uns doch unsere Kraft, die wir als Kreative aufbauen können, nutzen, um da irgendwo mit anzupacken. Sei es für eine Spendenaktion oder die Vermittlung von neuen Herbergen für Flüchtlinge.“
Matthäus Michalik stimmt zu: „Von den Business-KPIs spüren wir auch noch nichts, aber wir spüren es halt im Team.” Da die Räumlichkeiten von CLANEO durch die Coronabesetzung zu dem Zeitpunkt noch nicht wieder voll genutzt wurden, haben die Gründer:innen einen Bauabschnitt freigegeben, Feldbetten aufgestellt und Flüchtlinge vom Berliner Hauptbahnhof abgeholt. “Wir konnten etwas zurückgeben als Gesellschaft, als Team, als CLANEO und das war für uns extrem wichtig.“
Chris Höfner ist mit Freunde des Hauses Teil der Hirschen-Gruppe, die sich gerade darum bemüht, eine EU-Öko-Zertifizierung, EMAS genannt, für die Agentur-Gruppe zu erhalten. „Das Klima geht uns alle an“, sagt sie und erklärt: „Der Zertifizierungsprozess ist sehr komplex. Bei uns kümmert sich eine Kollegin mehrere Stunden pro Woche darum. Denn es reicht natürlich nicht, nur das Ökopapier zu verwenden. Es geht auch ums Reisen, um Strom und vieles mehr.“ Die Notwendigkeit eines solchen Labels sei von wachsender Bedeutung: „Man merkt, dass in Pitches auch immer häufiger nachgefragt wird, welche Zertifikate man vorweisen kann. Das Gleiche passiert in Bewerbungssituationen, vor allem wenn wir mit sehr jungen Menschen zu tun haben.“
„In Pitches wird immer häufiger nachgefragt, welche Zertifikate man vorweisen kann.” – Chris Höfner, Freunde des Hauses
Dennis Lück sieht eine gesellschaftliche Verantwortung von Agenturen darin, klar zu kommunizieren, welche Marken wirklich nachhaltig sind. „Nachhaltigkeit ist der neue Mainstream“, erklärt er. „Überall sind 80 Zertifikate darauf und niemand weiß, was das überhaupt bedeutet. Ich mache einmal ein Beispiel: Nachhaltig angebauter Kaffee. Das Fairtrade Label kriegst du, wenn 3,7 Prozent des Kaffees nachhaltig angebaut sind. Und dann gibt es andere Kaffeemarken, echte nachhaltig Kaffeemarken, mit 100 Prozent. Das heißt, die Spanne der Nachhaltigkeit reicht von lächerlichen 3,7 bis 100 Prozent. Und ich glaube, da müssen wir als Gesellschaft aufpassen, dass wir das Ganze nicht zu einem Witz verkommen lassen.“
„Nachhaltigkeit ist der neue Mainstream.” – Dennis Lück, BrinkertLück Creatives
Heiko Willers stimmt Dennis zu, sagt aber auch, dass die Möglichkeiten für Agenturen, auf den Klimawandel durch Kommunikation Einfluss zu nehmen, leider auch begrenzt seien: „Das heißt, ein wirklicher Hebel liegt in der Politik, in der Produktentwicklung, Forschung und in all diesen Themen. Und da können wir wirklich gerade nur sitzen und hoffen, dass da politisch einfach andere Weichen gestellt werden.“
Was hat unsere Agency-Life-Diskussionsrunde von Folge 6 ergeben? Durch die Pandemie hat sich die Arbeitswelt nachhaltig gewandelt. Agenturräume gewinnen als Begegnungsstätte an Bedeutung, gleichzeitig möchte keiner mehr auf die Möglichkeit von Homeoffice verzichten. Für Agentur:leiterinnen war die Krise einerseits eine Chance, neue Wege zu gehen, aber auch eine Herausforderung, das Miteinander und die Kultur aufrecht zu erhalten. Was den Ukraine-Krieg und die Klimakrise betrifft, ist es unseren Agency-Life-Teilnehmer:innen wichtig, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten und zu helfen. Auch Okö-Zertifikate gewinnen für Agenturen in Pitches und Bewerbungsgesprächen an Bedeutung.
Wie ihr krisenfest bleibt, das ist außerdem Thema in unserem E-Book über nachhaltiges Wachstum. Dieses findet ihr hier.